Man nehme eine Handvoll erfahrene Jazz-Profis und sperre sie zwei Tage lang mit musikbegeisterten Jugendlichen in einer Schule ein. Was wie ein musiksoziologisches Experiment klingt, ist am Werkgymnasium seit 1994 – mit Ausnahme des Einsperrens – Wirklichkeit: Am 19. und 20. Februar fand hier zum 18. Mal ein Jazzworkshop statt. Bisher war dieser den Schülern der Heidenheimer und Giengener Gymnasien vorbehalten gewesen, ab diesem Jahr kann jeder, egal ob Schüler oder nicht, teilnehmen. Initiator Joachim Kocsis war es erneut gelungen, eine illustre Truppe renommierter Jazzmusiker als Dozenten zu gewinnen. In Combo-Besetzungen unter Anleitung je eines Profis hatten die Teilnehmer zwei Tage lang intensiv geprobt. Höhepunkt des Workshops ist seit jeher neben dem Dozentenkonzert am ersten Abend das Abschlusskonzert aller Teilnehmer in der Aula des Werkgymnasiums. Als „fertig aber froh“ wurde der Zustand der Musiker beschrieben, und diese Freude sollte noch hörbar werden.
Eröffnet wurde der Abend von Workshop-Urgestein Martin Schrack, der mit seinen Schülern eine Rhapsodie über den Giengener Schulalltag komponiert hatte. Bei „Margarete lebt“ war deutlich zu hören, dass unter Schracks Ägide auch schon die Jüngsten den Kern des Jazz verstehen, sich frei auf ihren Instrumenten ausdrücken können. Das angekündigte Wechselspiel von Realität und Traum war musikalisch überzeugend umgesetzt. Indiz für die lange Tradition des Workshops: Auch Martin Schracks Sohn Felix, seines Zeichens namhafter Jazzschlagzeuger, ist mittlerweile als Dozent in Heidenheim aktiv. Mit „Sophias Rentnerband“ – augenzwinkernd nach der vom Rentenalter maximal entfernten Combo-Bassistin benannt – hatte er die Titel „Moanin“ und „On Green Dolphin Street“ geprobt. Die Rhythmuswechsel des letzteren wurden von den jungen Musikern bravourös gemeistert. Spürbar begeistert von seiner Band war Eberhard Budziat. „Mut und Leidenschaft“ welche die Schüler an den Tag legten seien manchem professionellen Musiker abhandengekommen. Der Klassiker „Tuxedo Junction“ swingte souverän und die Solisten zeigten großes Können. Beim Intro zur Eigenkomposition „Funkwerk“ wurde der Freejazz lebendig. Die Band von Hubert Winter, ebenfalls ein „alter Hase“ in Sachen Jazzworkshop, präsentierte Herbie Hancocks rhythmisch komplexes „Butterfly“. Die Interpretation des Evergreens „Bei mir bist du schön“ regte luftig swingend zum Tanzen an. Die Schüler von Christian Neuhaus spielten sich mit ihrer Fassung des „Worksong“ in die Herzen. Ihr funkiges „Mercy, Mercy, Mercy“ bot abermals reichlich Raum für Kreativität. Mit „Looper“ hatte die Combo eine Eigenkomposition im Gepäck, die innerhalb kürzester Zeit als Reminiszenz an eine technische Errungenschaft des Gitarristen entstanden war. Den Schlusspunkt des Konzertes bildeten die Titel „Horns + Rhythm = Swing“ und „Uptown Funk“, gemeinsam vorgetragen von allen Musikern.
Mehr als beeindruckend, was die jungen Musiker in derart kurzer Zeit auf die Beine zu stellen wussten. Nach diesen ereignisreichen Tagen dürfte die Rückkehr zum Schulalltag nicht jedem leichtgefallen sein – wobei sicherlich die Vorfreude auf den nächsten Workshop überwiegt.
Johannes Röder