TheaterAG.WeG - Weltuntergang

Foto: Frank Keller
Foto: Frank Keller

 

„Also los: Wenn am Ende des heutigen Abends die Welt unterginge, würdest du es wissen wollen?

 Ja oder nein?“

Mit dieser provokanten Frage beginnt das Stück „Weltuntergang“, basierend auf dem gleichnamigen Drama von Jura Soyfer. Die ganz individuelle Antwort auf diese Frage wird den Verlauf des Abends für das im Foyer des Werkgymnasiums versammelte Publikum maßgeblich beeinflussen: Wer lieber bis zum Ende im Dunkeln gehalten werden will, wird von drei Schauspieler:innen in einen Kellerraum geführt und dort damit konfrontiert, was jeder Haushalt eigentlich für den Katastrophenfall zuhause haben sollte. Wer Bescheid wissen und die ihm verbleibende Zeit sinnvoll nutzen möchte, bekommt direkt unter dem lichtdurchfluteten Fensterdach der Schule von einer weiteren Gruppe von Schauspielenden vor Augen geführt, dass einen sicheren Weltuntergang nun wirklich niemand vorhersagen könne. Eigentlich bleibe also bestimmt noch genug Zeit, nicht wahr?

Diese Dissonanz begleitet das Publikum zurück in die Kulturmulde, wo beide Gruppen wieder zueinander finden und nun miterleben, wie die Welt für eine kleine Gruppe junger Menschen unterzugehen droht. Doch ist es wirklich der Komet „Conni“, der auf die Erde zurast und dessen Bedrohung nur von den Schüler:innen so richtig bemerkt wird? Oder ist nicht vielmehr die Passivität ihrer Umgebung der eigentliche Weltuntergang für sie? Anstatt sich vertrauensvoll an sie wenden zu können, sind es schließlich die Erwachsenen in Form von Eltern und Lehrer:innen, die nicht wirklich zuhören, die abwiegeln, vertrösten, belächeln, sogar wegschicken. Schnell wird klar, dass die Hilflosigkeit und Frustration der Jugendlichen auf der Bühne ob des heranrasenden Kometen eine Metapher für die Hilflosigkeit und Frustration einer jungen Generation ist, die mitansehen muss, wie ihnen ihre Zukunft durch Raubbau an der Natur und ihren Rohstoffen gestohlen wird – eben weil man sie nicht ernst nimmt. Was bleibt ihnen da anderes übrig, als sich wortwörtlich an das Publikum zu kleben, um jeden einzelnen der Zuschauer dazu zu zwingen, ihnen zuzuhören?

Wie in den Spielzeiten zuvor hat sich die TheaterAG.WeG unter der Spielleitung von Marco Graša und seiner Regieassistentin Isabell Pihlar einer existierenden Vorlage angenommen und sie so umgeschrieben, dass die Version, die auf der Bühne dargestellt wird, den jugendlichen Schauspielenden voll aus dem Herzen spricht. Den sechs jungen Künstler:innen auf der Bühne aus den Jahrgangsstufen 8 und 9 gelingt damit ein beeindruckendes Bühnendebüt. Routiniert bringen sie ihre Dialoge und Monologe vor, durchbrechen wie selbstverständlich die vierte Wand zum Publikum, um mit diesem in Interaktion zu treten, und spielen Charme und Witz gleichermaßen überzeugend wie Sorge und Angst. 

Auch, wenn das vermeintliche Happy End auf der Bühne schal wirkt, weil die realen Bedrohungen der Menschheit längst nicht so leicht abzuwenden sind wie ein liebestoller Komet, scheint also doch wenigstens eine Zukunft gesichert:  die der TheaterAG.WeG. Denn, so verrät Marco Graša, das ganze Ensemble habe ihm versprochen, dass sie bleiben werden. Auch, wenn die Welt untergehen sollte!

 

Diana Heinzelmann

Letzte Änderung am 14.07.2024 von Th. Werner