19. Jazzworkshop am Werkgymnasium
Es gibt Traditionen, welche sich durch zu starke Pflege abnutzen und letztendlich ihren Reiz verlieren. Es gibt Jazz, der aus lauter Respekt vor historischen Vorbildern seine Identität abgibt. Und dann ist da noch der Heidenheimer Jazzworkshop – eine Institution, die auch nach 19-maliger Wiederholung nicht langweilig wird. Schließlich erneuert sich dieser Workshop in bester Jazz-Tradition ständig aus seinen eigenen Wurzeln. Die Wurzeln, das sind die Schüler, welche innerhalb von zwei Tagen gemeinsam mit professionellen Jazzmusikern ein vollständiges Konzertprogramm erarbeiten. Diese Musik entsteht aus dem Moment heraus, mit dem verfügbaren Material, in der Mitte des Alltags: Jazz!
Das Ergebnis der diesjährigen Probenarbeit wurde am vergangenen Samstag in der Kulturmulde des Werkgymnasiums präsentiert. Die Combo von Eberhard Budziat stellte ein Jazz-Panorama vom „St. Louis Blues“ bis hin zu Chet Bakers „Exitus“ vor. Dabei zeigten die jungen Musiker sowohl solistisches Können als auch souveräne Kommunikation, nach welcher die raffinierten Arrangements verlangten. Die zweite Gruppe hatte mit Saxofonist Hubert Winter geprobt, herausgekommen sind wunderschön swingende „Autumn Leaves“ und ein luftiger „Blue Bossa“. Martin Schrack und seine Band beendeten den Reigen der Combo-Darbietungen. Diese Formation hatte eine Komposition im Gepäck, die, so Schrack, „erst vor drei Tagen entstanden“ sei und auf den Namen „The Ostalb“ höre. Auch beim augenzwinkernden „The Party (mit Spätzle und Soß)“ war die Spielfreude der Musiker offensichtlich.
Dozent Martin Schrack und Schulleiter Werner Schölzel lobten unisono den Jazz-Nährboden, den Organisator Joachim Kocsis bereite, um immer neue junge Musiker für diese Musik zu begeistern. „Leider machen die dann immer gleich Abitur“, so Kocsis lachend, doch gerade von dieser Dynamik lebt der werkgymnasiale Jazzworkshop, von jährlich variierenden Besetzungen und Klängen.
Den Schlussstrich unter das knapp einstündige Programm zogen alle Musiker gemeinsam. In „Elefantenbigband“-Besetzung erklangen ein funkiges „What is hip?“, der vertrackt langsame und dennoch bravourös gemeisterte Monk-Klassiker „Round Midnight“ sowie zu guter Letzt der Titel „Rhythm + Horns = Swing“.
Jedes Jahr aufs Neue löst dieser Workshop vor allem eines aus: Faszination. Anders kann man nicht beschreiben, was sich hier in kürzester Zeit, ohne große Vorbereitung und inmitten des arbeitsreichen Schulalltags entwickelt. Dass diese Atmosphäre zu einem Jazzsound führt, der durch seine Ehrlichkeit manche Profiplatte leblos erscheinen lässt, ist keine Übertreibung.
Johannes Röder